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Counterpoise
2011

Entwurf: Toni Kotnik
Mitarbeit: Maximilian Schrems
Stahlarbeiten: Gebr. Gysi AG, Baar
Holzarbeiten: Oliver Zgraggen, ETH Dienste

Die dominante Typologie im Tischdesign ist die eines Objektes, welches als stabiles, in sich ruhendes Element den Raum belegt. Die Objekthaftigkeit spiegelt sich dabei häufig in der Abgeschlossenheit einer symmetrischen Disposition und der Selbstbezüglichkeit der Formensprache wider. Die Aussergewöhnlichkeit des Projektes besteht im Aufbrechen dieser Typologie durch Inversion. Das Projekt Counterpoise ist Ausdruck eines dynamischen Balanceaktes, es ist ein in den umgebenden Raum ausstrahlendes, schwebendes Möbelstück von reduzierter Formensprache im labilen Gleichgewicht der Kräfte.

Methodisch orientiert sich das Design an Prinzipien des Entwurfs von Tragwerken im Hochbau. Diese Prinzipien werden eingesetzt, um für das Problem der grossen Auskragungen der Tischplatte effiziente Lösungen zu finden. Sowohl Aspekte des Materialverhaltens wie auch Methoden der Steuerung von Kraftflüssen werden dabei adaptiert und auf den Massstab und den Nutzanforderungen des Möbeldesigns angewendet. Das Projekt steht somit exemplarisch für den Transfer von Wissen aus dem grossen Massstab der Architektur in den kleinen Massstab des Möbeldesigns.

Die Adaption von Prinzipien des Tragwerkentwurfs im Hochbau ermöglicht das Erzielen eines Ausdrucks von Leichtigkeit und Schwebens, der aus physikalischen Gründen mit den sonst üblichen konstruktiven Methoden im Möbelbau nicht erreicht werden kann. Durch die Aufhebung des direkten Bezugs von der Tischplatte zum Boden kann eine räumliche Wirkung generiert werden, die über das Objekthafte hinausgeht und den umgebenden Raum einbezieht. Diese Wirkung nach Aussen wird durch die Form des Tragwerkes und der Materialisierung der Tischplatte noch unterstützt. Durch den Entwurf werden jedoch weder die Form noch das Material inszeniert, sondern das Tragwerk und dessen Verhalten werden zum zentralen Ausdrucksmittel. Mittels der Verschmelzung des physikalisch Notwendigen mit dem gestalterischen Willen ist ein Tisch entstanden, dessen Charakter bestimmt wird durch die expressive Kraft der Tragstruktur. Diesem Aspekt des Entwerfens wurde bisher im Möbeldesign auf Grund der dort üblichen Dimensionen und relativ geringen inneren Kräften im Material kaum Beachtung geschenkt. Durch das Projekt wird somit das Tragwerk als eine weitere Ausdrucksform für das Möbeldesign erschlossen.

Projektbeschreibung: Der Begriff des Tisches geht zurück auf das griechische dishos, die Scheibe, und beschreibt ein Möbel welches gekennzeichnet ist durch die Horizontalität der Tischplatte. Das Projekt ist der Versuch einer Annäherung an diese ursprüngliche Begrifflichkeit durch die Interpretation des Tisches als einen dynamischen Balanceakt mit der Tischplatte als eine im Raum schwebende Ebene im Gleichgewicht der Kräfte. Die Unterkonstruktion ist daher reduziert auf eine Stütze und vier Seile durch welche die Platte ausbalanciert wird. Hierdurch wird Beinfreiheit geschaffen und der Tisch vollumfänglich nutzbar. Auf die Stütze werden zwei gekreuzte und leicht überhöhte Stahlprofile aufgelegt. Die Profile verjüngen sich mit zunehmender Entfernung von der Stütze und werden durch zwei Abspannseile in die Horizontale gebogen, dadurch auf die Stütze gepresst und in ihrer Position fixiert. Die Verjüngung, Überhöhung und Vorspannung der Profile ermöglicht es, grosse Auskragungen ohne sichtbare Durchbiegung des Tisches zu erreichen. Die Schrägstellung von zwei Seilen bewirkt neben der Vorspannung eine Absicherung der Profile gegen eine horizontale Verschiebung oder Verdrehung. In die durch die gekreuzten Profile aufgespannten Zwischenräume wird die Tischplatte eingelegt. Weil die Tragstruktur hohe Anforderungen an die Festigkeit und Steifigkeit des Materials stellt wurde diese in Stahl ausgeführt. Stahl erfüllt nicht nur die mechanischen Anforderungen, sondern besitzt auch ein geringes Eigengewicht und ist kostengünstig. Zudem lässt es sich sehr gut bearbeiten, was die Detailierung erleichtert und eine einfache Einbringung der Seilkräfte ins Material erlaubt. Im Gegensatz hierzu wurde die Platte in keilverzinkten Lammellen aus geöltem Nussholz ausgeführt. Durch diese Materialisierung werden die unterschiedlichen Funktionen differenziert, durch die visuelle und haptische Unterschiedlichkeit wie auch durch die industrielle und handwerkliche Tradition die die Materialien evozieren. Da die Platte zwischen die Profile eingelegt wird, bleibt die Tragstruktur sichtbar und wird zu einem zentralen gestalterischen Element. Durch die kreuzförmige Stellung der Profile wird nicht nur der Raum für die Tischplatte aufgespannt, sondern zugleich ein radial wirkender Bezugrahmen definiert, der über die Tischkante hinaus ausstrahlt. Diese Wirkung wird durch die asymmetrische Stellung des Rahmens, die vom Zentrum ausgehende Verjüngung der Stahlprofile und die Bewegungsrichtung der Holzlammellen verstärkt. Durch die Verdichtung des Materials um das Zentrum ist die Tragstruktur steif und verbiegt sich auch unter grosser vertikaler Belastung kaum. Wird der Tisch dagegen horizontal belastet, so nehmen die Seile die einwirkende Kraft elastisch auf, was zu einem sanften Vibrieren des Tisches führt. Die Tragstruktur limitiert die Beweglichkeit des Tisches auf die horizontale Ebene und eröffnet neben der visuellen Wahrnehmung eine zusätzliche Dimension durch welche die Horizontale erfahrbar wird.

last modified 4.2.2020